Der Spiegel
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Ein Spiegel war – ein wunderlich Ding’-
der schon seit undenklichen Zeiten
nicht nur die Sach’ des Lebens einfing,
um Menschen Freuden zu bereiten.
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Er konnt’ viel mehr – man glaubt es wohl nicht,
trotzdem will ich es hier berichten –
als rückzuspiegeln in seinem Licht
die eingefangenen Geschichten.
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Ein Auge war er – sogar ein Tor
in für uns unbekannte Welten.
Konnte Dinge zeigen, die zuvor
selbst uns’re Alten nicht erzählten.
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So lassen Sie mich beginnen nun
und erzählen Ihnen die Geschicht’
von des Spieg’lein’s zauberhaftem Tun,
von dem man heute niemals mehr spricht...
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- - Ein Kaufmann zurück aus fernem Land
nach vielen Jahren und Tagen kam,
woselbst er dieses Spiegelein fand,
nebst viel anderem, nützlichem Kram.
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- So nahm der Spiegel denn seinen Weg
durch viele Hände im Lauf der Jahr’
Manch Einer beging ein Sakrileg:
- Nahm den Zauber desselben nicht wahr !
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Endlich, an einem verschwiegenen Platz,
zu seiner übergroßen Freude, -
entdeckte ein Besitzer den Schatz;-
doch hielt er geheim seine Beute.
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Ein Schlossherr war er, sehr reich an Geld,
- doch arm in seiner schwarzen Seele.
Ein Mensch, wie er Vielen nicht gefällt;
- Dessen Näh’ man besser nicht wähle !
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Manch unschuldig’Seel’ – in seiner Gier, -
er hatte schon zu Tode gebracht.
Im Blutrausche, wie ein wildes Tier,
über die Qualen der Opfer gelacht !
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-Ein böses Herz sucht die Schönheit nicht,
um sich nur daran zu erfreuen.
Die Schöne wird stets beim Bösewicht
ihr leichtsinniges Tun bereuen...
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Der Spiegel, weder böse noch gut,
verhalf mit seinen Zauberkräften
dem schlimmen Mann, - in sinnloser Wut –
manch’ argloses Mädchen zu schlächten.
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Das Glas konnte weisen Ort und Zeit,
wo der Wüterich wollte finden
so manche unglückselige Maid,
die bald fand in Schmerzen sich winden.
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Bis eines Tages, fast wie zum Hohn,
durch eigenes Tun und Betreiben,
der Bösewicht bekam seinen Lohn;
- zu grus’lig ist’s fast zu beschreiben...
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Der Drang, stets Neues zu erleben,
- da’s Alt’ wurd’ ihm zum Überdruss,-
ließ nach der Zukunft hin ihn streben;
- so fasst’ er den fatalen Entschluss:
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Eines Abend’s, in stiller Stunde,
- es plagte ihn die Langeweile,-
er seinen Spiegel frug um Kunde
über’s Künft’ge, - zu seinem Heile.
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Der Spiegel – wie es war seine Pflicht, -
und wie er oft schon getan zuvor,
verweigert’ auch nun die Antwort nicht.
- - Das war das End’ für den bösen Tor’ !
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Was er geseh’n, kann man bloß ahnen;
es kann nur Schlimmes gewesen sein.
Es war’n wohl nicht wehende Fahnen,
welch’ brachten ihn zu seinem Schrein...
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Als man ihn trug zu seinem Grabe,
Entsetzen zeichnete sein Gesicht.
Nicht hatt’ erfahr’n er Gottes Labe,
- was er geschauet, - man weiß es nicht !
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- Und wieder ging er auf die Reise,
- der kleine Spiegel, so unscheinbar;
- der auf seine eigene Weise
für manch’ Schicksal verantwortlich war.
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Erneut ging er durch viele Hände,
ohn’ dass man wusste um sein’ Magie.
Erst ein Zufall brachte die Wende;
-eine Jungfrau diesmal fand das Wie.
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Verzaubert von des Spiegelein’s Kunst,
wollte sie ruhen nicht Tag und Nacht.
Bat inständig um des Glases Gunst;
- `nen Freier wollt’ sie,- in Hochzeitstracht ...
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Jedoch, so sehr sie sich auch mühte,
ihr Herzenswunsch ward ihr nicht erfüllt.
Von Tag zu Tag sie mehr verblühte;
- man sah es an ihrem Spiegelbild.
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- Gar alles wollt’ der Spiegel zeigen,
- nur Eines gewährte er ihr nicht:
Das Hochzeitsfest in buntem Reigen,
- sie fröhlich schreitend in hellem Licht!
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- Verzweifelt ging sie in einer Nacht
zum See, der in einem Walde dort.
-Dieser hat ihr dann den Tod gebracht
- und Gott nahm die arme Seele fort...
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Auf ein Weiteres dasselbe Spiel,
das scheinbar niemals sollte enden.
Es ging erneut durch Hände gar viel’;
- das Glas, das konnte ein Schicksal wenden.
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Der Nächste, der nun den Schlüssel fand
zu den geheimnisvollen Welten,
war weithin als Philosoph bekannt.
- Tat Manchem gar als Genius gelten !
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Auch er hielt wohlweislich seinen Mund;
der Gründe dafür gab es viele.
Ansonst’ machte wohl die Mär’ die Rund’,
- der Teufel gar sei mit im Spiele ...
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Er war ein Mensch von Bildung schließlich
und außerdem von edler Natur.
Des Leben’s froh, - gar nicht verdrießlich;
- der Welt Geheimniss’ stets auf der Spur.
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Und so - in manchen stillen Stunden,
wenn er alleine war und in Ruh’ –
hatt’ er Geheimnisvoll’s gefunden.
- Der Weise lernt lebenslang dazu !
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Statt zu stellen alberne Fragen,
herauszufordern des Schicksal’s Schlag,
wollt’ er ein Abenteuer wagen,
welch’ Wissen einzig vermitteln mag.
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Er fragte nach dem Lauf der Sterne;
das Rund der Erde erblickte er.
Erfuhr die Welt von nah und ferne;
erblickte Länder sowie das Meer.
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was er gesehen, schrieb er nieder;
- getreulich – ohn’ hinzu zu dichten.
Gab alles auf den Buchstab’ wieder;
- der Nachwelt davon zu berichten.
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So wurde sein Leben denn erfüllt
von all’ den wundersamen Gaben,
welche durch des Glases Spiegelbild
Den Wissensdürst’gen reichlich laben.
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Manches geriet in Vergessenheit
nach des so gelehrten Mannes Tod.
Über manches geriet man in Streit
ohn’ tieferen Grund und ohne Not.
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